Burnout als Ausdruck eines Systems - Das JD-R Modell
Dec 15, 2025Der wahre Grund für Burnout – und warum er nicht in dir liegt
Viele Menschen fragen sich, warum sie im Burnout landen – während andere im gleichen Job völlig stabil bleiben.
Gleiche Arbeitszeiten, gleiche Belastungen, gleicher Lohn, gleiche Stadt, gleiche Lebenssituation – und dennoch unterschiedliche Ergebnisse.
Warum landet also Eva im Burnout, während Adam nicht einmal in die Nähe davon kommt?
Die intuitive Antwort ist oft:
„Adam ist wohl resilienter“ oder
„Eva nimmt sich alles zu Herzen“ oder
„Sie ist empathischer, gewissenhafter, sensibler, perfektionistischer.“
Solche Erklärungen sind verbreitet – aber sie greifen zu kurz.
Denn die Forschung zeigt heute eindeutig:
Der wahre Grund für Burnout liegt nicht im Menschen – sondern im System.
🔥 Mythos: Persönliche Schwäche als Ursache für Burnout
In unserer Kultur wird Burnout noch immer individuell erklärt:
- „Er kann sich besser abgrenzen.“
- „Sie will es allen recht machen.“
- „Er nimmt Kritik nicht persönlich.“
- „Sie arbeitet zu gewissenhaft.“
- „Er macht Pause, sie fühlt sich schuldig.“
Diese Beschreibungen stimmen oft – sie erklären aber nicht, warum Burnout entsteht.
Sie beschreiben nur Verhaltensunterschiede, nicht die Krankheitsmechanik.
Der entscheidende Punkt:
Unterschiedliche Menschen reagieren unterschiedlich auf dieselben Bedingungen –
aber es sind die Bedingungen, die ausbrennen.
⭐ Der wahre Grund: Ein Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Ressourcen
Der Schlüssel zum Verständnis von Burnout stammt aus einem der einflussreichsten Modelle der modernen Arbeitspsychologie:
👉 Das Job Demands–Resources Modell (Demerouti & Bakker, 2001)
Dieses Modell besagt:
Burnout entsteht, wenn die Anforderungen eines Jobs dauerhaft größer sind als die verfügbaren Ressourcen.
Das bedeutet: Nicht der Mensch „brennt aus“ –
sondern ein System kippt, in dem mehr Energie verloren geht als nachfließt.
Wie bei einem Wassertank: fließt weniger hinein als hinaus, sinkt der Pegel.
Bis er irgendwann auf Null steht.
🟦 Job Demands – die Anforderungen, die Energie kosten
Job Demands sind alle Faktoren, die Kraft ziehen:
- hoher Arbeitsdruck
- ständige Unterbrechungen
- emotionale Belastungen
- Zeitdruck
- Verantwortung ohne Einfluss
- Konflikte
- unklare Rollen
- ständige Erreichbarkeit
- permanenter Leistungsdruck
Diese Anforderungen sind nicht automatisch schlecht.
Sie werden gefährlich, wenn sie:
- zu hoch,
- zu langanhaltend,
- nicht beeinflussbar sind.
Dann beginnt der Energiepegel im „Tank“ zu sinken.
🟦 Job Resources – die Ressourcen, die Energie geben
Ressourcen sind das Gegenstück: alles, was Kraft zurückbringt:
- soziale Unterstützung
- Anerkennung
- Feedback
- Autonomie
- Sinn im Tun
- Entwicklungsmöglichkeiten
- gute Beziehungen zu Kolleg*innen
- ein fairer, unterstützender Chef
- klare Strukturen
- realistische Ziele
- Pausen und Erholungsräume
Ressourcen sind der Schutzschild gegen Burnout.
Sie motivieren, stabilisieren, regenerieren.
⭐ Burnout entsteht also nicht, weil Eva schwächer ist – sondern weil das System unausgeglichen ist
Die Formel lautet:
Zu viele Anforderungen + zu wenige Ressourcen = Burnout
Oder anders:
Burnout ist ein Energieproblem, kein Charakterproblem.
Adam und Eva erleben das gleiche berufliche Umfeld –
aber Adam hat (bewusst oder unbewusst) mehr Ressourcen in seinem Alltag:
Unterstützung, Einfluss, klarere Strukturen, bessere emotionale Distanz.
Eva dagegen verfügt über weniger davon. So entsteht ein Ungleichgewicht.
Nicht wegen ihrer Persönlichkeit – sondern wegen des Systems, das sie trägt oder nicht trägt.
🩺 Was folgt daraus in der Praxis?
Wenn die Anforderungen zu groß werden und Ressourcen fehlen, reagiert der Körper:
- chronischer Stress
- Erschöpfung
- innerer Rückzug
- Leistungsabfall
- Gleichgültigkeit („Mir ist alles egal.“)
Das sind nicht die Symptome eines schwachen Menschen –
sondern eines überlasteten Systems.
🔄 Der Weg zurück: Gleichgewicht wiederherstellen
Zur Prävention und Behandlung zeigt das JD-R-Modell zwei Wege:
- Anforderungen reduzieren
- klare Prioritäten
- Aufgaben delegieren
- Unterbrechungen reduzieren
- Grenzen setzen
- ständige Erreichbarkeit abschaffen
- realistische Ziele vereinbaren
- Ressourcen stärken
- Unterstützung suchen
- Feedback einholen
- Erfolge sichtbar machen
- Pausen einfordern
- Arbeitsplatzgestaltung verbessern
- persönliche Stärken nutzen
- Sinn im Tun wiederfinden
Wichtig dabei:
Oft wirken kleine Verbesserungen auf der Ressourcen-Seite stärker als große Änderungen der Anforderungen.
🧠 Optionaler tieferer Weg: Spirituelle Psychologie
Wenn Kopf, Herz und Hand nicht dieselbe Sprache sprechen, entstehen innere Spannungen.
Diese Spannungen machen es schwer, sich zu wehren, Grenzen zu setzen oder Erholung zuzulassen.
Hier setzt die spirituelle Psychologie an:
Sie stellt wieder eine innere Einheit her – und damit innere Kraft.
Mehr erfährst du in meinem Seminar:
👉 https://www.pierreletrognon.com/seminar-burnout
📚 Weiterführende Literatur
🔵 Zum Job Demands–Resources Modell
- Demerouti, E., Bakker, A. B., Nachreiner, F., & Schaufeli, W. B. (2001).
The Job Demands–Resources Model of burnout. Journal of Applied Psychology, 86(3), 499–512. - Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2017).
Job Demands–Resources Theory: Taking stock and looking forward. Journal of Occupational Health Psychology, 22(3), 273–285.
🔵 Zu Burnout allgemein
- Maslach, C., & Leiter, M. P. (2016).
Burnout: A multidimensional perspective. - Schaufeli, W. B. (2024).
Burnout: A Comprehensive Review. - Leka, S. (2022).
Burnout: A Review of Theory and Measurement.
🔵 Zu Stress & Bewertung
- Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984).
Stress, Appraisal, and Coping. Springer. - Folkman, S., & Lazarus, R. S. (1985).
If it changes it must be a process. JPSP.
🔵 Zu Ressourcen & Resilienz
- Hobfoll, S. E. (1989).
Conservation of Resources Theory. - Siegrist, J. (1996).
Effort–Reward Imbalance Model.
❤️ Fazit
Burnout ist kein persönliches Versagen.
Es ist ein Ungleichgewicht, das entsteht, wenn Anforderungen das übersteigen, was uns an Ressourcen zur Verfügung steht.
Und das Gute daran:
Gleichgewicht kann man wiederherstellen.